Praxis für Hypnose- und Psychotherapie | Claus-Peter Hoffmann

 Wie entsteht eine Depression?

Anders als ein Beinbruch lässt sich eine Depression im allgemeinen nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen. Meist sind verschiedene Faktoren beteiligt, die erst im Zusammenspiel eine Depression entstehen lassen. Vereinfacht lässt sich jedoch sagen, dass es innere und äußere Umstände gibt, deren Vorhandensein einen Menschen an einer Depression erkranken lassen.

Um das Zusammenwirken dieser Faktoren zu verstehen, muss man wissen, wie sich die Informationsweitergabe innerhalb unseres Gehirns abspielt. Die einzelnen Nervenzellen, die unseren Körper durchziehen und aus denen unser Gehirn besteht, tauschen untereinander Informationen aus. Dabei können diese Informationen als Sinneseindrücke registriert werden, z.B. als Anblick eines Bildes oder als Hören von Musik. Es kann sich aber auch um Gefühle oder Gedanken handeln. Die Weitergabe solcher Informationen zwischen einzelnen Zellen des Gehirns findet durch die Ausschüttung von Botenstoffen statt, den sogenannten Neurotransmittern.

Nach Ansicht der neueren Wissenschaft kommt es während einer Depression zu einer Störung dieses Stoffwechsels im Gehirn. Vor allem bestimmte Botenstoffe, das Serotonin und das Noradrenalin sind aus der Balance geraten. Durch diese Stoffwechselstörung sinkt die Fähigkeit, Empfindungen wie Freude oder Zufriedenheit zu verspüren; negative Gefühle werden übermächtig. Diese Stoffwechselstörung wird oft durch einschneidende Lebensereignisse verursacht. Ein solches Ereignis kann bereits ein Umzug in eine fremde Stadt sein. Auch Lebensprobleme können für diese Störung verantwortlich sein: Verlust des Partners, Tod eines Angehörigen, dauernde berufliche Über- oder Unterforderung.

In der Medizin ist umstritten, was bloße Rahmenbedingung und was eigentliche Krankheitsursache ist. Je nach Sichtweise kann man annehmen, dass Veränderungen des Stoffwechsels im Gehirn lediglich eine Begleiterscheinung der krankmachenden Lebensprobleme sind. Andererseits lässt sich natürlich auch sagen, dass alle Menschen in ihrem Leben Verluste und Trennungen erleiden oder Phasen der Überlastung durchstehen müssen, aber nur wenige daraufhin an einer Depression erkranken.

Außerdem gibt es auch Menschen, die an einer Depression erkranken, die eigentlich gar keine Probleme haben. Bei ihnen kommt es ohne jeglichen Anlass zu einem Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn.
Wichtig ist an diesem Streit vor allem eins: Bei einer Depression spielen körperliche und seelische Faktoren eine Rolle. Eine sinnvolle Therapie gewichtet diese Faktoren individuell und stellt die Behandlungsformen auf den jeweiligen Schwerpunkt des Einzelfalls ab. Eine pauschale Behandlungsform, die bei allen Erkrankten gleich gut hilft, gibt es nicht.

 

Folgen einer Depression:

Wie verändert eine unbehandelte Deprission unser Gehirn?

Unbehandelte Depressionen machen den ganzen Körper krank. Einige Hirnregionen schrumpfen und andere wachsen - das Hormonsystem verändert sich - Knochenentkalkung, Herz- und Gefäßleiden sind Folge von Depressionen.


  Depressionen, so die Erkenntnis von Hirnforschern, werden maßgeblich beeinflußt durch ein Ungleichgewicht bei Nervenbotenstoffen wie Serotonin und Noradrenalin. Es zeigt sich jetzt mehr und mehr, daß Depressionen nicht nur das Gefühlsleben der Patienten verändern, sondern "weiter" wirken: Sie bewirken auch regelrechte Strukturveränderungen in Hirnregionen, und sie greifen in vielerlei Weise an anderen Stellen im Körper ein.


Das Gehirn interpretiert unsere Erfahrungen und entscheidet, ob diese als bedrohlich einzustufen sind. Anschließend steuert es unsere Reaktionen auf der körperlichen und Verhaltensebene. Ergebnisse aus Tierversuchen zeigen, daß Organschäden darauf beruhen, dass Gehirn und Körper bisweilen nicht fähig sind, sich an wiederholten Stress an zu passen.


Drei spezielle Hirnregionen - der Hippocampus, der präfrontale Cortex und die Amygdala - sind für schädigende Veränderungen besonders anfällig. Diese Regionen sind vorrangig verantwortlich für die Interpretation streßreicher Erfahrungen und die Wahl der geeigneten Reaktionen. Außerdem sind an diesen Vorgängen zahlreiche Hormone und Botenstoffe wie Cortisol, Adrenalin, Serotonin und Noradrenalin beteiligt. Nicht zu vergessen ist das vegetative Nervensystem, das körperliche Grundfunktionen wie Atmung und Herztätigkeit steuert, sowie das Immunsystem. Eine Depression führt über langfristige chemische Ungleichgewichte in diesen Systemen zu Veränderungen im Körper.

Der Hippocampus ist eine der zentralen Strukturen für die Erinnerung an Ereignisse und Zusammenhänge. Er bildet Rezeptoren aus, die es ihm ermöglichen, auf Stresshormone zu reagieren. Heute wissen wir, dass sich der Hippocampus bei einer Reihe von psychiatrischen Störungen zurückbildet. Innerhalb des Hippocampus befindet sich eine Struktur namens Gyrus dentatus, der während des ganzen Erwachsenenlebens immer neue Nervenzellen (Neuronen) ausbildet. Chronischer Stress blockiert dies aber und lässt viele Neuronen im Hippocampus schrumpfen. Diesen Prozess nennt man "Remodeling".


Tierversuche haben gezeigt, dass zusammen mit Neurotransmittern auch das Stresshormon Cortisol im Gehirn ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Schrumpfung der Neuronen spielt. Ebenso gibt es Hinweise dafür, dass auch der präfrontale Kortex - eine der wichtigsten Strukturen für die emotionale Regulation, die Entscheidungsfindung und für ein funktionierendes Gedächtnis - bei einer starken Depression schrumpft.


Auf der anderen Seite zeigt die Amygdala, der Sitz des emotionalen Gedächtnisses, keine Zeichen von Schrumpfung. Im Gegenteil: Unter anderem wird sie bei depressiven Erkrankungen sogar hyperaktiv. In Tierversuchen gab es Hinweise auf eine Vergrößerung der Nervenzellen nach wiederholten Stressereignissen. Bei abnormaler Aktivität anderer Gehirnregionen führt eine hyperaktive Amygdala zu unregelmäßigen Schlaf- und Aktivitätsmustern sowie zu einer unnormalen Ausschüttung von Hormonen und anderen Botenstoffen, die viele Körperfunktionen steuern. So steigt beispielsweise der Wert des Stresshormons Cortisol am Abend an, wenn er eigentlich niedrig sein sollte.

Bekannt ist, dass - abseits des Gehirns - unbehandelte schwere Depressionen auch verschiedene körperliche Veränderungen auslösen, etwa ein Mineralverlust in den Knochen, die Fettanlagerungen am Bauch, eine verstärkte Blutgerinnung. Es besteht dann ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen. Doch diese Veränderungen können mit einer medikamentösen und psychologischen Behandlung verhindert und möglicherweise rückgängig gemacht werden.


Die Depression ist in mancher Hinsicht mit dem sogenannten Cushing-Syndrom vergleichbar. Äußerlich ist diese Krankheit durch Fettablagerungen im Gesicht, Nacken und am Bauch gekennzeichnet. Sie wird durch übermäßige Cortisolproduktion verursacht. Der Cortisolspiegel ist bei Cushing-Patienten zwar höher als bei Menschen mit schweren Depressionen, aber die psychiatrischen und physischen Merkmale der beiden Krankheiten sind sich erstaunlich ähnlich: Melancholie, Depression, Fettleibigkeit, Mineralverlust in den Knochen und ein erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen sowie Schrumpfung des Hippocampus und Beeinträchtigung des Gedächtnisses.

Die gute Nachricht im Hinblick auf das Cushing-Syndrom ist, daß die Schrumpfung des Hippocampus und die Beeinträchtigung des Gedächtnisses über mehrere Jahre nach der Korrektur des erhöhten Cortisolspiegels zumindest teilweise reversibel sind. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass im Zusammenhang mit schweren Depressionen auftretende strukturelle Veränderungen im Gehirn mit den richtigen Medikamenten oder anderen Therapien verhindert und sogar rückgängig gemacht werden können. So wird beispielsweise die durch Stress unterdrückte Nervenneubildung im Gyrus dentatus durch Antidepressiva wieder angekurbelt.


Ein Problem mit zahlreichen verwendeten Medikamenten bleibt: Die Rückfallrate bei starken Depressionen ist mit 70 bis 80 Prozent sehr hoch.

Nur die Kombination mit einer modernen Psychotherapie durchbricht diesen Teufelskreis. Leider werden die meisten Patienten nicht oder nur mit Medikamenten, aber fast nie mit einer modernen Psychotherapie behandelt.